04.08.-05.08.2020
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, da erblickte ich den Langkofel das erste Mal. Am Weg hoch zum Sas Rigais, inmitten der Wasserscharte drehte ich mich um, genoss die Aussicht und sofort fiel mir dieser schöne Dolomitenberg ins Auge. Für mich war sofort klar, dass er auf meine „to do“ Liste kommt.
Nach diesem wundervollen Tag in Südtirol machte ich mich zu Hause sofort an die Recherche, doch die Ernüchterung kam sogleich. Schwierigster Dolomiten 3000er, äußerst schwierige Routenfindung, viel Zeit, dritter bis vierter Grad usw. waren die häufigsten Schlagwörter in den einzelnen Berichten.
Somit wurde mir klar, dass dieser Berg nicht so einfach erklommen werden kann und legte das Vorhaben fürs Erste ad acta.
Ein Jahr später
Nun ein Jahr später im Zuge der Urlaubsplanung kam die Idee wieder auf. Weitere Recherchen folgten, Topos wurden studiert, Videos wurden gesucht, aber so wirklich sicher war ich mir nach wie vor nicht. Noch dazu war klar, dass in dieser Route einige Passagen im Abstieg zum Abseilen waren. Meine einzige Erfahrung zum Thema abseilen war eine Trockenübung von meinem Balkon runter auf die Straße. Ich war hin und her gerissen, wünschte ich mir doch am Gipfel des Langkofel zu stehen.
Nach einigen Gesprächen mit Christian wurde die Idee geboren, dass wir uns für diese Tour einen Bergführer nehmen könnten. Damit würde die Routenfindung kein Problem mehr sein und ich hätte bei Bedarf die nötige Unterstützung beim Abseilen, die technische Schwierigkeit traute ich mir zu.
Meine ganz persönliche Misere
Anfänglich war ich jedoch über diese Option nicht glücklich. Denn in mir entwickelte sich ein innerer Konflikt. Einerseits würde mir ein Bergführer die nötige Sicherheit geben, anderseits fragte ich mich selbst ob dies meine Fähigkeiten als Bergsteigerin schmälert.
Ohne eine Lösung für meine Misere zu finden, entschieden wir uns für den Bergführer. Nach kurzer Suche stießen wir auf ProVertical. Eine Woche Urlaub stand auch kurz bevor und wegen Corona planten wir diesen nur von Tag zu Tag und hatten somit die nötige Flexibilität wetterbedingt den Besteigungstag hin und her zu verschieben.
Es geht los!
Am Mittwoch den fünften August war es dann soweit. Um halb acht Uhr morgens trafen wir uns mit Hubi, unserem Bergführer, auf der Toni Demetz Hütte. Christian und ich verbrachten dort die Nacht. Schon startbereit mit Klettergurt und Helm stiegen wir die ersten 100hm ab, um auf das Fassanerband zu gelangen. Dort angekommen wurden Christian und ich ans kurze Seil genommen. Dies war für uns beide etwas gewöhnungsbedürftig und Christian mussten den ein oder anderen Tritt gegen den Helm in den Kletterpassagen leider wegstecken.
Bis zur ersten Scharte war die Orientierung noch recht gut, aber danach darf man diese nicht unterschätzen. Durch mehrmalige kurze Abstiege, leichte Abzweigungen und so gut wie keine Steinmännchen wird die Routenfindung ganz schnell zum Kriterium dieser Tour. Dank Hubi konnten Christian und ich uns voll und ganz auf das Kraxeln konzentrieren und dies war ein einziger Genuss. Am Langkofel-Gletscher angekommen gönnten wir uns eine kurze Pause.
Die Spannung steigt
Anschließend würde der ursprüngliche Weg hoch über die Eisrinne führen, diese ist aber zu dieser Jahreszeit nicht mehr begehbar, deshalb stiegen wir über die Rippe links davon hoch. So kletterten wir die nächste Stunde weiter vor uns hin und erreichten auch bald das Biwak. Nach diesem kam die Schlüsselstelle der Route. Den gelben Turm muss man bei einer sehr ausgesetzten Stelle queren und danach nochmals kurz senkrecht hoch (UIAA 3+). Mit etwas erhöhtem Puls beobachtete ich genau wie Hubi dort kletterte und als er mir das „go“ gab kletterte ich nach. Ohne Probleme überwanden wir beide diesen Punkt und standen nach insgesamt 3,5h am Gipfel des Langkofels.
Der Ausblick war ein absoluter Wahnsinn. Am linken Horizont der frisch angeschneite Ortler, weit im Osten der ebenfalls frisch angeschneite Großglockner und direkt gegenüber der Sellastock.
Der Gifpel ist nicht das Ende
Anschließend hieß es aber wieder volle Konzentration für den Abstieg. Am gelben Turm zurück, fing mein Herz stärker an zu schlagen, denn nun war die erste Abseilstelle zu bewältigen. Deutlich nervös bewegte ich mich über die Kante und seilte mich Stück für Stück ab. Christian wollte von mir noch ein Foto machen, aber ich sagte nur: “I hab eatz koa Zeit für des, i muas mi eatz auf de Sache konzentrieren“. Als ich unten angekommen war, fiel die Anspannung von mir. Nun war der Weiterweg eine Kombination aus abklettern und abseilen. Erst unterhalb des Biwaks kam uns noch eine Seilschaft entgegen, ansonsten genossen wir die Einsamkeit auf dieser Tour.
Auch hier ist es nochmal eine Herausforderung die Abstiegsroute zu erkennen, denn die Abseilstellen wollen erst gefunden werden. Dank unseres Bergführers mussten wir uns wieder nicht um solche Dinge kümmern. Nach vier Stunden Abstieg und einem leichten Gegenanstieg erreichten wir gesund und überaus glücklich die Toni Demetz Hütte.
Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, war ich sehr froh über unseren Bergführer. Hubi ist nicht nur eine sehr sympathische Person und kompetenter Bergführer, sondern dank ihm konnte ich mich voll und ganz auf den Genuss der Tour fokussieren. Ohne den Stress der Routenfindung und den daraus entstehenden Zeitdruck habe ich nur positive Erlebnisse an diese Tour. Danke an Hubi, dass diese Besteigung des Langkofel‘s würdig war.
Anmerkung:
Für alle die mit dem Gedanken spielen den Langkofel zu besteigen soll gesagt werden, die Orientierung in der Watzmann Ostwand habe ich leichter empfunden.
Ein gutes Topo findet ihr auf folgender Seite:
https://www.sentres.com/de/alpinklettern/langkofel-hauptgipfel-normalweg-suedwestseite
© Barbara Saxl (August 2020)
Eine Antwort auf „Der Langkofel – als Genusstour“